Schottland Rundreise in die Highlands
Schottland Rundreise in die Highlands

Schottland Rundreise: Klassiker North Coast 500

Die Schottland Rundreise North Coast 500 ist ein Klassiker. Sie vermittelt die raue Schönheit der schottischen Küsten.

Hinter dem Dorf Scourie an der schottischen Westküste beweist die Landschaft ihr Talent für das dramatische Fach. Meer, Berge und der Himmel finden sich zu immer neuen Schauspielen aus Licht und Schatten zusammen. Von der moorfarbenen Ebene steigen die Felswände der Gipfel Ben Stack und Suilven fast senkrecht nach oben. Ich kannte sie bisher nur von Kalendern und Postkarten.

Das ist sie also, die North Coast 500. Der Klassiker aller Autorundtouren durch das nördliche Großbritannien. Die schottische Antwort auf den legendären Highway „Route 66” durch die Vereinigten Staaten von Amerika. Uns erwarten romantische Burgruinen, alte Wälder und Adler, die am Himmel kreisen. Im Winter, so habe ich mir sagen lassen, leuchten in klaren Nächten Polarlichter über dem Meer.

Von den Adlern ist allerdings weit und breit nichts zu sehen. Geschweige denn von Polarlichtern. Es regnet in Strömen, und der Himmel ist grau und verhängt. Wenn es stimmt, dass die Eskimos mehr als 50 Ausdrücke für Schnee haben, dann können die Schotten darüber nur lachen. In der alten Sprache Scots sind mehr als 100 unterschiedliche Ausdrücke für Regen bekannt. Ein „bleeter“ ist ein durchziehender Regensturm, ein „krammy“ ist ein feiner, dicht fallender Regen. Noch nicht erfunden wurde ein Wort für das Gespritze, das der Scheibenwischer fabriziert, wenn er das Regenwasser mit Schwung von der Windschutzscheibe befördert.

Schottland-Rundreise: Tourstart in Inverness

Aber wozu will man rausschauen, wenn es Reiseführer gibt. Dort steht, dass es nur wenige Jahre brauchte, um die North Coast 500 zur beliebtesten Fernstraßenroute Schottlands zu machen. Ein Abenteuer mit einer Länge von 830 Kilometern. Die Tour beginnt in Inverness, verläuft entlang der Westküste und von dort einmal um den nördlichsten Punkt der britischen Insel herum. Entlang der Ostküste geht es wieder zurück nach Inverness. Selbstverständlich kann man die Strecke auch in der entgegengesetzen Richtung entlang fahren. Dann kommt der besonders beeindruckende Abschnitt zum Schluss der Reise.

Unser Ziel für den heutigen Tag ist das Torridon-Gebirge, der nordwestliche Abschnitt der Highlands. Zur Region um das Dorf Torridon gehören 17 Munros, so werden die höchsten Bergen in Schottland genannt. Um als Munro zu gelten, müssen die Gipfel höher sein als 3000 Fuß oder umgerechnet 914 Meter. Namensgeber für die Munros war Sir Hugh Munro, der die höchsten Berge Schottland zählte und katalogisierte.

Schottland Rundreise: Halbinsel Applecross

Doch zunächst einmal machen wir bei Arinacrinachd Halt. Der Ort liegt auf der Halbinsel Applecross. Schemenhaft ist die Insel Skye am Horizont zu erkennen, die größte und bekannteste Insel der Hebriden. Die Insel ist im Sommer oft so voll, dass es mehr Spaß macht, auf ein Boot umsteigen. Touranbieter wie St. Hilda Sea Adventures (www.sthildaseaadventures.co.uk) haben verschiedene Bootstouren im Programm.

In Arinacrinachd weist ein Schild mit einem handgemalten Pfeil zum „Druid stone” – dem Stein des Druiden. Wer dem Pfad folgt, geht über offenes Moorland nach Clachan, wohin die Dorfbewohner die Särge mit ihren Toten trugen. Die Strecke beträgt 14 Kilometer. Sie wird gesäumt von kleinen Steinhaufen, wo die Trauergesellschaft kurze Zwischenstops einlegte, um zu verschnaufen und mit Whisky auf den Verstorbenen anzustoßen. Die Totenbahre, die für die Prozession verwendet wurde, ist im Applecross Heritage Centre zu sehen. Doch das liegt nun schon hinter uns, und das Wetter sieht alles andere als vielversprechend aus. Daher entschließen wir uns zur Weiterfahrt.

Schottland Rundreise: Hinweisschilder in gälischer Sprache
Schottland Rundreise: Hinweisschilder in gälischer Sprache

Schottland Rundreise: Gälische Hinweisschilder

Die Bergwelt des Torridon sorgt für ein besonderes Mikroklima. Die Luftmassen bewegen sich in diesem Labyrinth aus steilen Felswänden anders als im Rest des Landes. Die Folge sind dramatische Wetteränderungen in kurzer Zeit. Als im Jahr 1951 ein Flugzeug wegen des schlechten Wetters vom Kurs abkam und abstürzte, dauerte es sechs Monate, bis ein Bergungsteam zu dem Wrack vordringen konnte.

Nicht nur die Landschaft verändert sich, auch die Straße verengt sich nun immer wieder zu einer schmalen, einspurigen Fahrbahn, neben der gelegentlich Haltebuchten zu finden sind, um den Gegenverkehr durchzulassen. Auf der Karte lese ich unaussprechliche gälische Namen wie Beinn Damh und Sgurr a Garaidh.

An der schottischen Westküste wird noch immer Gälisch gesprochen, und die Ortsbezeichnungen helfen dabei, sich schnell einige Vokabeln einzuprägen. „Ben”oder „Beinn” bedeutet Berg, „Glen” ist Tal und „ Mhòr” steht für groß. So romantisch die gälischen Bezeichnungen klingen, so schnell merkt man, dass die Schotten bei der Namensvergabe pragmatisch vorgehen. Ben More bedeutet – ja genau – „großer Berg”.

Im Torridon wurde 1951 das erste Naturschutzgebiet in Großbritannien eingerichtet. Über 100 Vogelarten sind hier zu Hause, darunter auch Steinadler. Zum Naturschutzgebiet gehören auch Teile eines besonderen Ökosystems, das „keltischer Regenwald” genannt wird. Das ist ein Regenwald der gemäßigten Klimazonen, der weit weniger bekannt und verbreitet ist, als die tropischen Regenwälder mit ihrer Pflanzenpracht und ihrem Artenreichtum.

Schottland Rundreise: Der keltische Regenwald

An der schottischen Westküste hingehen wachsen in erster Linie Moose und Flechten, die den keltischen Regenwald auch im Winter grün erscheinen lassen und ihm ein verwunschenes, märchenhaftes Aussehen verleihen.

Gerne hätte ich mir den keltischen Regenwald aus der Nähe angesehen, doch die Zeit drängt. Denn es ist so: Man kann die North Coast 500 in weniger als einer Woche schaffen und sein Häkchen hinter den Klassiker setzen. Doch um die Region wirklich zu erleben, braucht es mehr Zeit. Nur so kann man einsame Burgruinen erkunden oder durch uralte Wälder wandern.

Calmac-Fähren
Calmac-Fähren

Schottland Rundreise: Die Stadt Ullapool

Wir entschließen uns, eine Pause zu machen und halten in der Hafenstadt Ullapool. Im Hafenbecken wartet die Calmac-Fähre auf Passagiere, die zur Hebrideninsel Lewis fahren wollen. Nach der Reise durch den wilden Westen Schottlands gibt es in Ullapool zur Abwechslung mal wieder Bürgersteige, Geschwindigkeitsbegrenzungen, Häuser auf beiden Seiten der Straße und einen Parkplatz, auf dem mehr als drei Fahrzeuge Platz haben. Lokales Kunsthandwerk gibt es in der An Talla Solais Galerie. Im Macphail Centre finden Kulturveranstaltungen statt.

Vor dem nächsten Regenschauer flüchten wir in den Fish&Chip-Shop „The Seafood Shack”. Eigentlich wird dem „Seafood Shack” die Bezeichnung als Fish&Chip-Shop nicht ganz gerecht, denn die Speisekarte stellt einigen Ehrgeiz unter Beweis. Wir bestellen Jacobsmuscheln an rote Beete-Couscous. Es ist wenig los, und wir teilen uns den Platz vor der Theke mit Roddy, einem Fischfarmer aus der Gegend. Er erklärt uns, dass die Jacobsmuscheln von Tauchern mit der Hand auf dem Meeresboden eingesammelt werden.

Die North Coast 500 habe viel für den Tourismus getan, sagt Roddy. Doch manchmal sei auf den kleinen, einspurigen Straßen zu viel los. Vor allem im Sommer. Roddy wohnt in einem winzigen Ort an der Küste, und selbst zum Einkaufen muss er sich hinters Steuer setzen. Für uns sind die einspurigen Straßen ein Spaß, doch für Roddy sind sie Alltag. „Ist das nicht sehr mühsam?” „Aye”, sagt Roddy, was so viel heißt wie „Ja”. Aber wegziehen würde er für kein Geld der Welt. An die Straßenverhältnisse habe er sich längst gewöhnt.

Schottland Rundreise: Geologie zum Anfassen

Wir setzen uns wieder ins Auto und kommen nun in eine Region, die jeden Geologen entzücken dürfte. Die Landschaft nördlich von Ullapool wurde während der Eiszeit von Gletschern geformt. An der schottischen Westküste wurde außerdem eine der älteste Gesteinsarten der Welt nachgewiesen, der Lewianische Gneiss, benannt nach der Hebrideninsel Lewis. Geologen gehen davon aus, dass dieses Gestein 3000 Millionen Jahre alt ist. Der North West Highlands Geopark informiert über die geologischen Besonderheiten der Region.

Bei Lochinver steht eine wichtige Entscheidung über die weitere Strecke an. Die B869 ist eine einspurige, enge Straße, die viel fahrerisches Können voraussetzt. Die Alternativroute ist die A894, eine direkte Verbindung nach Durness. Sie führt über die Kylesku-Brücke, eine 276 Meter lange, geschwungene Konstruktion, die zahlreiche Architekturpreise gewonnen hat. Seit ihrer Eröffnung erspart sie den Autofahrern einen mehr als 170 Kilometer langen Umweg um die Förde von Loch Glendhu.

Roddy hatte uns zudem die Sanddüne zwischen Balnakeil Beach und Faraid Head empfohlen. Sie ist eine der längsten Sanddünen des Landes. In den Dünen von Balnakeil wurde im Jahr 1991 bei einem heftigen Sturm ein Wikingergrab freigelegt. Es enthielt das Skelett eines rund 13 Jahre alten Jungen. Neben ihm lagen sein Schwert, ein Kamm aus Hirschhorn und ein Angelhaken.

Schottland Rundreise: Die nördlichste Spitze ist erreicht

Wir sind nun auf dem Weg zur nordöstlichsten Spitze des britischen Festlandes. Vor der Küste fließt der Pentland Firth, eine 27 Kilometer lange Wasserstraße, die wegen ihrer starken Gezeitenströmung zu den gefährlichsten Wasserstraßen der Welt zählt. In der Förde Loch Eriboll ankerten die Schiffe und warteten auf besseres Wetter, um den Pentland Firth überqueren zu können.

Die starke Strömung macht das eiskalte Wasser von Thurso Bay zu einem Treffpunkt für hartgesottene und erfahrene Wellenreiter. Sie treffen sich jährlich zu den Scottish National Surfing Championships. Besonders beliebt ist Brims Ness, wo die Wellen des Nordatlantik gegen den Strand krachen. Es ist ein kurioses Bild, wenn Spaziergänger im Wintermantel, Mütze und Schal am Strand entlanglaufen, auf dem die Surfer mit ihren Brettern ins Wasser hineinflitzen.

Die A836 endet bei John o´Groats und wird von der A99 abgelöst. Die Ruine von Bucholie Castle steht einsam und verlassen auf einer Klippe und kämpft mit den Elementen. Es lässt sich erahnen, dass Bucholie diesen Kampf irgendwann einmal verlieren wird.

Schottland Rundreise: Strandhütten in Moray Speyside
Schottland Rundreise: Strandhütten in Moray Speyside

Auf der A99 geht es nun entlang der schottischen Ostküste Richtung Süden. Die Burgen und Schlösser und nicht zuletzt die örtlichen Whiskydestillerien führen uns sehr in Versuchung, den einen oder anderen Abstecher zu machen. Doch sie müssen warten bis zum nächsten Urlaub.

Weitere Infos: https://steadyhq.com/de/schottland-magazin/about

 

Must Read