Die Insel Mull: Abseits der Touristenpfade
Die Insel Mull: Abseits der Touristenpfade

Traumziel Insel Mull

Interview mit der britischen Krimiautorin Helen Fields über Hexen und Aberglauben auf den Hebriden. 

Ich musste die Touristenpfade verlassen“, sagt Helen Fields über die Recherche für einen Krimi, der auf der Insel Mull spielt. Mull ist für die meisten Besucher ein Ferienparadies. Die Krimiautorin Helen Fields machte sich für ihren neuen Roman auf die Suche nach den unbekannten Seiten der Insel.

Was hat Sie an Mull fasziniert?

Auf Mull vermischt sich eine tausende Jahre Geschichte mit Sagen und Legenden.  Wahrheit und Fiktion gehen Hand in Hand. Das lässt die alten Mythen in einem realistischen Bild erscheinen und holt sie näher an uns heran.

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Es gibt Berichte, wonach sich der Chief des Clans MacLean im Clansitz Duart Castle von Hexen beraten ließ. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Hexen auf Mull im 15. Jahrhundert nicht verfolgt wurden wie in anderen Teilen Schottlands und Europas, sondern einen wichtigen Platz in der Dorfgemeinschaft innehatten. Ich fand das faszinierend. Sie wurden als weise Frauen angesehen, deren Rat man schätzte… Eine andere Geschichte handelt von der Hexe Doideag, die ein Segelschiff der spanischen Armada versenkte…

Insel Mull: Das Hafenbecken von Tobermory
Insel Mull: Das Hafenbecken von Tobermory

… das nachweislich auf dem Grund des Hafenbeckens von Tobermory liegt.

Genau. Einige Segelschiffe der spanischen Flotte wurden nach der Schlacht gegen die Armada im Jahr 1588 so weit versprengt, dass sie vor der schottischen Küste kreuzten. Das ist historisch belegt. Doideag versenkte das Schiff angeblich, weil eine eifersüchtige Frau auf der Insel die Sorge hatte, ihren Ehemann an eine spanische Prinzessin zu verlieren.

Haben Sie auf Mull Orte entdeckt, wo sich der Glaube an Hexenzauber dokumentiert?

Bei der Ortschaft Craignure gibt es einen alten Friedhof namens Pennygown Churchyard. Zwei Grabplatten befinden sich außerhalb der Friedhofsmauer. Die Steinschnitzereien sind fein gearbeitet und zeigen einen Mann und eine Frau. Der Legende nach hatten diese mit Hexerei zu tun und wurden daher außerhalb der geweihten Friedhofsmauern beigesetzt.

Die Hexen sind aber nur ein Aspekt der Mythologie auf der Insel…

… und es gibt so viel mehr. An der Westküste und auf der Insel schütteten die Bewohner Haferbrei und Bier ins Meer, um den Meeresgott gnädig zu stimmen. Auf dem Pennygown Churchyard hinterließen sie Gaben, um die guten Feen der Insel um kleine Gefälligkeiten zu bitten. Dieser Brauch endete, als ein Fischer bei den Feen einen Mast für sein Schiff bestellte. Damit hatte er den Bogen wohl etwas überspannt, und die guten Geister wurden seitdem nicht mehr gesehen.

Wie haben Sie recherchiert?

Zunächst im Internet, später bin ich dann mit dem Auto über die Insel gefahren und habe dabei so viel Neues entdeckt: Steinstelen und abgelegene Dörfer wie Kintra. Ein Ort, der mich besonders inspiriert hat, war Mackinnon´s Cave, die tiefste Meereshöhle der Hebriden. Tief im Inneren liegt ein flacher Felsbrocken, der Fingal´s Table genannt wird und der den frühen keltischen Christen als Altar diente.

Wie haben diese Erlebnisse Ihr Schreiben beeinflusst?

Ich habe ganze Kapitel aus der Perspektive der Insel geschrieben. Mull bekommt eine eigene Stimme und einen eigenen Romancharakter. Einer meiner wichtigsten Schauplätze ist der Steinkreis von Lochbuie. Er besteht aus neun Granitfelsen, die in einer Art natürliches Amphitheater angeordnet sind. Viele Besucher genießen die Stille, aber angeblich soll es hier spuken.

Insel Mull: Das Hafenbecken von Tobermory
Insel Mull: Das Hafenbecken von Tobermory

Für die meisten Besucher ist Mull eine fröhliche Ferieninsel. Sie zeichnen ein ganz anderes Bild…

Für das Buch musste ich die Touristenpfade verlassen. Ich konzentriere mich auf die Bewohner, die das ganze Jahr über auf Mull leben.

Ihr neuer Roman ist der erste, der auf einer Insel spielt. Was ist das Besondere an einem Insel-Krimi?

In meinen bisherigen Büchern ermittelt die Polizei in der Anonymität großer Städte wie Edinburgh oder Glasgow. Auf einer Insel hingegen kennt jeder jeden. Das bedeutet, dass der Kommissar dem Täter vielleicht schon über den Weg gelaufen ist und DO unter Umständen CANCEL vielleicht eine persönliche Beziehung zu ihm hat. Er denkt möglicherweise: Ich kenne den Täter. Das macht die Ermittlungsarbeit für ihn emotional viel schwieriger.

Haben Sie nach den Recherchen einen Mull-Tipp für Ihre Leserinnen und Leser?

Mein Lieblingsplatz ist der Strand Calgary Bay an der Westküste. Um dorthin zu gelangen, muss man lange fahren, so dass sich nur wenige Touristen dorthin verirren. Die Bucht wird auf beiden Seiten eingerahmt von Klippen, und der Strand liegt einigermaßen geschützt. Ich liebe diesen unendlich weiten Blick aufs Meer.

Helen Fields ist eine britische Krimiautorin. Ihre Bücher wurden in 22 Sprachen übersetzt, darunter auch ins Deutsche. Ihr Buch „The Last Girl to Die“ ist 2022 in englischer Sprache erschienen.  Schauplatz ist die Insel Mull.